Coronavirus (COVID-19), ein Fall höherer Gewalt?
Bei Leistungsstörungen aufgrund des Coronavirus stellen sich verschiedene rechtliche Fragen, insbesondere ob dies ein Fall von Force Majeure ist.
von Kyra Baumgartner, Zurich
Mar 27 2020
<p>Sind Sie z.B. ein Hersteller eines Geräts oder eines Fahrzeugs? Werden die Bestandteile dieses Geräts oder Fahrzeugs bei den Herstellern nicht mehr produziert, weil die Produktion aufgrund behördlicher Anordnung und/oder Pandemie bis auf Weiteres eingestellt wurde? Geraten Sie deswegen in Verzug mit der Erfüllung Ihrer Vertragspflichten oder können Sie diese sogar nicht mehr erfüllen? Fragen Sie sich, ob Sie sich von den Schadenersatzpflichten und weiteren finanziellen Folgen absichern können bzw. könnten? </p><p>Die Antwort ist ‘Ja’. Sie können und müssen sofort handeln und Massnahmen für einen solchen Fall treffen, um Ihre Firma vor den finanziellen Folgen der nicht vertragsgemässen Erfüllung ihrer Pflichten abzusichern. </p><p>Die Pflichten aus gültig zustande gekommenen Verträgen sind so zu erfüllen, wie sie vereinbart worden sind («pacta sunt servanda»), soweit die Parteien nicht einvernehmlich eine neue Vertragsregelung treffen. Der Richter kann nach der so genannten «clausula rebus sic stantibus» eine richterliche Anpassung auch gegen den Willen einer Partei vornehmen, wenn sich die Umstände nach Vertragsabschluss so grundlegend ändern, dass eine gravierende Äquivalenzstörung eintritt. Voraussetzung für eine richterliche Vertragsanpassung nach «clausula rebus sic stantibus» ist, dass die Vertragsänderung beim Abschluss des Vertrags weder voraussehbar noch vermeidbar war. Ein Gerichtsverfahren ist jedoch stets mit mehr Aufwand und Kosten verbunden.</p><p>Wenn Sie Ihren Vertragspflichten nicht mehr vertragsgemäss nachkommen können, stellt sich die Frage, ob man eine rechtliche Begründung für eine Verzögerung oder Nichterfüllung heranziehen kann und sich als Schuldner auf einen Fall von höher Gewalt berufen kann. </p><p>Höhere Gewalt liegt nach schweizerischer Rechtsprechung vor, wenn das Ereignis aussergewöhnlich, unvorhersehbar, von aussen einwirkend und unabwendbar ist, völlig unerwartet eintritt, ausserhalb des Einflussbereiches der Parteien liegt und trotz grösstmöglicher Sorgfalt nicht zu verhindern war. Als Ereignisse der höheren Gewalt sind Naturereignisse (Überschwemmungen, Erdbeben, Taifune), Kriege, Revolutionen, Terrorismus sowie Streiks zu nennen. </p><p>Ob ein Fall der höheren Gewalt vorliegt, wenn die Produktions- und Lieferketten in der aktuellen Situation aufgrund der behördlichen Massnahmen unterbrochen oder diese auf das Coronavirus (COVID-19) allein zurückzuführen ist, lässt sich nicht mit einer abschliessenden Sicherheit sagen. Auf der sichersten Seite sind Sie jedoch, wenn Sie eine entsprechende Force Majeure-Klausel in Ihren Vertrag einbauen, in welcher Sie den Anwendungsbereich für höhere Gewalt selbst definieren. Beachten Sie jedoch dabei, dass es stets auf die konkrete Formulierung in einem Einzelvertrag ankommt. Erwähnen Sie daher explizit eine Pandemie oder sogar COVID-19. Unerlässlich ist ebenfalls eine Regelung betreffend die Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten, wie etwa Kündigungsrecht, Befreiung von Schadenersatzpflichten oder Gewährung von Nachfristen. Diese können im Übrigen beide Parteien von der Erfüllung ihrer Vertragspflichten befreien. </p><p>Bauen Sie entsprechende Force Majeure – Klauseln in neu abzuschliessende Verträge ein oder nehmen Sie Änderungen der bestehenden Verträge vor.
Diese Massnahmen kommen nicht nur Ihnen zugute, indem Ihnen und Ihrer Firma unter Umständen die langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahren erspart bleiben. Sie tragen indirekt der Erhaltung der in Zeiten des Coronaviruses ohnehin sehr strapazierten Wirtschaft bei und können die verheerenden Folgen der aktuellen Pandemie für einzelne Unternehmen ein Stück weit mildern.</p><p><br></p>
Teamkollegen
Simon Urbach
Urbach Law
Stavros Koutalas
Koutalas Law
Amelie Hoffmann
Urbach Law
Panayiotis Korakovounis
Koutalas Law